Wednesday, 08.09.2010
19:00h
Das Potosí-Prinzip – Principio Potosí – hat im Spanischen zwei Bedeutungen. Die erste ist zeitlich und meint einen Beginn oder Ursprung (Principio = Anfang), in der zweiten kann Principio Potosí eine technische oder mechanische Funktion beschreiben, die an sich wiederholbar ist (Principio = Prinzip). Aber Das Potosí Prinzip ist hier vor allem der Titel eines künstlerischen Projektes, das zuvor im Museum Reina Sofía in Madrid ausgestellt wurde (12.05.-06.09.2010) und nun vom 08.10.2010 bis 02.01.2011 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin zu sehen sein wird. Von Februar-Mai 2011 reist die Ausstellung ins Museo Nacional de Arte in La Paz. Gemeinsam kuratiert wurde das Projekt von Alice Creischer, Max Jorge Hinderer und Andreas Siekmann.
Potosí ist eine Minenstadt im heutigen Bolivien, die Ende des 16. Jahrhunderts so prächtig ist wie London oder Paris. Das dort in Zwangsarbeit geförderte Silber trägt entscheidend zur Entwicklung des europäischen Kapitalismus bei. Im Zuge dieser kolonialistisch-ökonomischen Dynamik wird eine Massenproduktion von Bildern nicht nur in Spanien, sondern auch in den spanischen Kolonien freigesetzt. Die in der Ausstellung das Potosí-Prinzip vorgestellten Werke des „andinen Barocks“ bezeugen, dass kulturelle Hegemonie keine symbolische Größe ist, sondern eine Gewalt. Für die Ausstellung antworten etwa 20 zeitgenössische Künstler auf die Kolonialbilder mit eigenen Arbeiten/Recherchen. Ziel dieses Dialogs ist zu zeigen, dass es Zusammenhänge gibt zwischen der Funktion der Kolonialmalerei der Gegenreformation und der Funktion, die das Kunstsystem heute übernimmt, um die neuen Eliten der Globalisierung mit Legitimität auszustatten.

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Einen wichtigen Part spielen in der Ausstellung die sogenannten „abwesenden Bilder“, d.h., diejenigen Bilder, die nicht ausgeliehen werden konnten. Die Gründe für das Nicht-Ausleihen von Bildern von Seiten einiger europäischen und bolivianischen Institutionen zeigt, wie prekär die transatlantischen Abkommen über die Verantwortung gegenüber der (Kolonial-)Geschichte in Wirklichkeit sind. Um diese sehr konkreten Geschichten der Abwesenheiten zu vergegenwärtigen, werden in der Ausstellung die Abwesenheiten selbst ausgestellt, und zwar indem ihnen der gleiche physische Raum zukommt, den sonst die großformatigen originalen Bilder eingenommen hätten. Zu den Geschichten der Abwesenheiten lässt sich für den Vortrag im Corner College aber noch eine weitere ergänzen: die Geschichte der Abwesenheit des Kataloges während der Ausstellung im Museo Reina Sofía. Anhand dieses Fallbeispiels soll dargestellt werden, wie schwierig es sein kann beides mit einem Projekt leisten zu wollen: 1. einen geschichts-kritischen Diskurs in der Institution, und 2. einen institutionskritischen Diskurs in der Geschichte (also heute) zu entfachen.

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When Europe Speaks with One Voice wird veranstaltet von Lucie Kolb und Romy Rüegger.